Briefmarken - Nur Raritäten versprechen Renditen
Sagen wir es frei heraus: Die meisten halten Briefmarkensammeln für ein eher spießiges Hobby. Deshalb schrumpft der Markt, außerdem sterben die Sammler allmählich aus. Doch sollte man nicht vorschnell urteilen: Auch mit den vermutlich kleinsten Wertpapieren der Welt lässt sich mitunter eine ansehnliche Rendite erzielen – vorausgesetzt, man investiert neben Geld auch viel Geduld. Denn Briefmarken steigen nur allmählich im Wert. Und auch nur dann, wenn es sich um wirklich seltene Exemplare aus gefragten Spezialgebieten handelt.
Briefmarken-Index als Marktbarometer
Aber immerhin: Der von dem renommierten Londoner Briefmarken- und Münzhändler Stanley Gibbons zusammengestellte SG-100 Rare Stamp Index, in dem hundert gesuchte Raritäten enthalten sind, stieg seit der Auflegung im Jahr 2000 um rund 100 Prozent. Dieser »Dax für Briefmarken« wird inzwischen nicht nur von Sammlern, sondern gleichermaßen von Sachwert-Investoren stark beachtet. Die Internet-Adresse finden Sie im Investmentkompass am Ende dieses Kapitels.
Was macht eine Briefmarke begehrt und wertvoll?
Mitunter erweist sich sogar ein Fauxpas als Volltreffer. Sogar Nichtsammler haben vermutlich irgendwann schon einmal von der legendären Audrey Hepburn-Wohlfahrtsmarke gehört oder gelesen. In diesem Fall folgte der anfänglichen Peinlichkeit eine bemerkenswerte Performance. Diese Rarität gilt heute als die wertvollste moderne Briefmarke der Welt. Ihr Nennwert lautet auf 1,10 D-Mark plus 0,50 D-Mark Zuschlag (0,56 plus 0,26 Euro). Im Juni 2005 verkaufte das Wiesbadener Auktionshaus Heinrich Köhler diese seltene Marke für 58.000 Euro.
Die Zigarette auf der Audrey Hepburn-Wohlfahrtsmarke
Vermutlich würde sich kaum jemand für dieses Postwertzeichen interessieren, hätte es den damals Verantwortlichen nicht an Fingerspitzengefühl gemangelt. Auf der Marke war Audrey Hepburn mit einer Zigarette abgebildet, ein Foto aus dem legendären Streifen »Frühstück bei Tiffany«. Die Familie der Schauspielerin legte gegen dieses Sujet ihr Veto ein, immerhin war Audrey Hepburn an einer Lungenkrankheit gestorben. Offiziell kam diese Marke daher nie in Umlauf – bis auf wenige Exemplare, die wegen einer angeblichen Kommunikationspanne nicht an die Bundesdruckerei zur Vernichtung zurückgeschickt wurden.
Eine Marke steht auf dem Kopf
Ein weiteres Highlight: Knapp vier Jahre nach dem Verkauf der Hepburn-Marke wechselte für 320.000 Euro ein 12er-Block »Der Schwarze Einser« seinen Besitzer. Und wiederum war es ein peinlicher Fehler, der im Nachhinein für spektakuläre Preissprünge sorgte: Eine Marke in diesem bayerischen Block stand auf dem Kopf. Für 200.000 Euro wurde diese Rarität ausgerufen, zugeschlagen aber erst bei 320.000 Euro. »Natürlich kommt es immer mal wieder zu Highlights. Auktionsergebnisse im sechsstelligen Bereich pro Los bleiben aber eine große Ausnahme«, weiß Dieter Michelson, Geschäftsführer des Auktionshauses Heinrich Köhler.
Briefmarken als Geldanlage?
Eignen sich Briefmarken daher wirklich als Geldanlage, können Investoren damit attraktive Renditen erwirtschaften? »Nur unter dem Aspekt der Kapitalanlage würde ich niemandem empfehlen, in Briefmarken zu investieren. Es sollte schon eine hohe Affinität zur Philatelie, am besten ein hohes Maß an Leidenschaft als eine Art Ersatzrendite hinzukommen«, sagt Michelson.
Ein bis zwei Millionen Briefmarkensammler in Deutschland
Obwohl die Zahl der Sammler stetig sinkt, gibt es offenkundig in Deutschland noch viele (teilweise sehr vermögende) Menschen, die sowohl Geld als auch besagte Leidenschaft in Briefmarken investieren. Der Bund der Philatelisten schätzt die Zahl der Briefmarkensammler in der Bundesrepublik auf ein bis zwei Millionen. Das beginnt beim langjährigen Sammler, der ab und zu ein paar Euro in sein Hobby steckt, und reicht bis zu prominenten Persönlichkeiten, darunter der Eigentümer einer Lebensmittel-Einzelhandelskette, der eine der größten Sammlungen sein Eigen nennt. Auch Simon Wiesenthal, der 2005 verstorbene Gründer des Dokumentationszentrums des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes in Wien, galt einst als engagierter Briefmarkensammler. Seine philatelistischen Schätze wurden im Jahr 2006 versteigert.
Fachwissen unverzichtbar
Doch worauf sollte achten, wer nicht nur aus Leidenschaft, sondern zudem mit der Hoffnung auf Wertzuwächse in Briefmarken investieren möchte? »Zunächst gilt es, unverzichtbares Fachwissen aufzubauen. Hierzu gibt es Fachliteratur und Verbände, wo sich der Interessent informieren kann«, rät Reinhard Fischer vom gleichnamigen Auktionshaus in Bonn. Unter dem Aspekt der Kapitalanlage kommen für ihn in erster Linie die klassischen Marken bis 1870 in guter Qualität in Betracht, zum Beispiel aus Bayern, Baden, Oldenburg und Württemberg. »Unter Umständen können ferner die semiklassischen Ausgaben bis 1920 interessant sein, außerdem Spezialitäten wie etwa deutsche Inflationsmarken bis 1923 oder Marken aus ehemaligen deutschen Kolonien«, sagt Fischer. Kapitalanleger sollten nur Spitzenwerte und keine Mainstream-Marken kaufen.
Klassische Marken geeignet
Unter dem Aspekt der Kapitalanlage kommen für ihn in erster Linie die klassischen Marken bis 1870 in guter Qualität in Betracht, zum Beispiel aus Bayern, Baden, Oldenburg und Württemberg. »Unter Umständen können ferner die semiklassischen Ausgaben bis 1920 interessant sein, außerdem Spezialitäten wie etwa deutsche Inflationsmarken bis 1923 oder Marken aus ehemaligen deutschen Kolonien«, sagt Fischer. Kapitalanleger sollten nur Spitzenwerte und keine Mainstream-Marken kaufen. Kurzum: Wenn man plant, in Briefmarken zu investieren, gilt es, auf Klasse und keinesfalls auf Masse zu setzen.
Alte Briefe interessant
Interessant sind darüber hinaus alte Briefe. Entfernen Sie keinesfalls die Marke vom Brief. Die Marke hat vielleicht keinen großen Wert, aber der Brief kann ein kleiner Schatz sein, etwa wenn er einen besonderen Stempel aufweist.
Dieter Michelson bestätigt dies mit einem leichten Anflug von Poesie: »Die ungebrauchte Marke summt, die gestempelte Marke flüstert, aber der Brief erzählt eine Geschichte«. Immerhin hat Heinrich Köhler vor über 20 Jahren einen Brief für 2,3 Millionen D-Mark versteigert.
Sammlung durch regelmäßige Käufe aufbauen
Wer eine werthaltige Sammlung aufbauen möchte, muss sich spezialisieren. Ein roter Faden sollte erkennbar sein. Man kann sich etwa in die altdeutschen Gebiete einarbeiten (Preußen, Sachsen, Bayern, Thurn und Taxis) – allemal ein spannendes und umfassendes Thema. Wer pro Monat 200 bis 300 Euro investiert, kann sich über die Jahre eine schöne und werthaltige Sammlung aufbauen.
Vorsicht Fälschungen
Doch Vorsicht: »Es gibt nicht nur Philatelisten, sondern auch ›Filoutilisten‹«, sagt Reinhard Fischer augenzwinkernd. Experten empfehlen, bei Marken ab einem Katalogwert von rund 300 Euro unbedingt auf ein Attest von einem anerkannten Prüfer zu achten (siehe Investment-Kompass). Immerhin gibt es von manchen Marken heute mehr Fälschungen als Originale. Ein Beispiel hierfür ist die Theresienstadt-Marke. »Diese ist relativ selten und hat einen Handelswert von ein paar Hundert Euro. Die meisten in Umlauf befindlichen Theresienstadt-Marken sind aber Fälschungen«, weiß Reinhard Fischer.
Investmentkompass
Erst gründlich informieren
Wer Briefmarken nicht nur sammeln, sondern damit Geld verdienen möchte, braucht vertieftes Wissen. Massenware ist billig – daran wird sich auch in zehn oder zwanzig Jahren nichts ändern. Investieren Sie daher nur in einzigartige und gesuchte Marken. Kleinere Sammlungen mit dem begehrten Schwerpunkt Altdeutsche Staaten (vor 1871), Deutsches Reich (bis 1945) oder Bundesrepublik Deutschland (ab 1949) lassen sich schon mit einem Investment von unter 5.000 Euro zusammenstellen. Wer größer einsteigen und fünfstellige Summen investieren möchte, sollte gesuchte Einzelstücke aus deutschsprachigen Sammelgebieten (zum Beispiel Briefe) oder komplette Spezialsammlungen erstehen (ab 20.000 Euro).
Perspektiven
Raritäten bleiben immer gefragt und werden im Preis weiter steigen. Der Investor braucht aber viel Geduld. Briefmarken eignen sich nicht für nervöse Spekulanten.
Wer prüft?
Belastbare Atteste erstellen die Experten des Bundes philatelistischer Prüfer (www.bpp.de) und des noch relativ jungen Verbandes philatelistischer Prüfer (www.vppev.de).
Wo und wie informieren?
Bund Deutscher Philatelisten (www.bdph.de), www.philaforum.com (Forum der Philatelisten).
Der »Briefmarken-Dax«
SG-100 Rare Stamp-Index (www.stanleygibbons.com).